„Auf die Person der Gründer kommt es an”

Jens Lapinski vom METRO Techstars Accelerator fördert Startups, die digitale Erleichterungen für Gastronomen entwickeln, zu marktfähigen jungen Unternehmen.

TEXT: Hans Gäng BILD: Alejandra Loreto

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ens Lapinski weiß genau, dass er am richtigen Platz ist. In Berlin, hier im vierten Stock des Seitenflügels des ehemaligen Staatsratsgebäudes, wo einst Erich Honecker residierte und das Gerhard Schröder von 1999 bis 2001 als Dienstsitz nutzte.

„Ein historischer Ort mit wechselhafter, spannender Geschichte. Jetzt dient es als Kaderschmiede für kreative, querdenkende Start-ups. Welch Sinnbild für das neue Berlin“, räsoniert er. Kein Zweifel: In Berlin finden sich 50 Prozent der deutschen Startups.

Wir wollen den Gastronomen
helfen, sich auf ihre Stärken
an Herd und Tresen
zu konzentrieren.

Der promovierte Biotechnologe hat eigene Gründererfahrung und war zuvor in der Londoner City für das globale Accelerator-Netzwerk Techstars tätig. Er folgte dem Ruf nach Berlin gerne. „Die Stadt, die nach wie vor bestehende Aufbruchstimmung, das ist viel näher am Silicon Valley als Paris oder London”, bewertet er die Stimmung in der Stadt.

Was genau passiert in einem Accelerator Programm? Wer ist die Zielgruppe, wenn das Handelsunternehmen METRO den Accelerator initiiert? Jens Lapinskis Aufgabe in historischen DDR-Gemäuern ist es, die digitale Zukunft der Gastronomie weiterzuentwickeln. Das bedeutet, unter tausenden von weltweiten Gründungen genau die Startups zu finden, zu fördern und als Unternehmen zu entwickeln, die richtig gute Ideen für eine ganz spezielle Community haben: die der Köche, Wirte und Caterer dieser Welt.

„Das sind Menschen, die 80 Stunden die Woche in der realen Welt, also analog arbeiten.“ Für sie Lösungen zu entwickeln, die ihre Bedürfnisse treffen und ihr Leben erleichtern, ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Startups. „Köche sind keine Programmierer”, sagt Lapinski. Und doch hat die globale Business-Community der Gastronomen großes Potenzial. Leute zu finden, die dieses Potenzial erschließen können, dafür ist Jens Lapinski unterwegs.

Also nicht nur in Neukölln und am Prenzlberg. „Zwei unverzichtbare Elemente in meinem Arbeitsleben: Skype und Tegel.” Für Lapinski und seine elf Mitarbeiter unabdingbar, um ans Werk zu gehen.

Wer glaubt, Kapitalgeber in der Gründerszene säßen grämlich und grau über den langen Zahlenkolonnen der Business-Pläne und würden Startups nur aus der Excel-Perspektive prüfen – der täuscht sich. Jens Lapinski schaut Leute an. Er hört Gründern zu. Über Skype tagtäglich oder eben vor Ort, bei Meetings oder den immer zahlreicher werdenden Startup-Events. „Die CEOs, die Persönlichkeit der Gründer, das ist das Entscheidende.”

Dazu kommt bei Techstars ein weltumspannendes Netzwerk von Mentoren. Jens Lapinski kann jederzeit 150 Gründer- und Gastro-Größen weltweit anrufen und um Rat fragen kann. Power-Networking – das ist seine Welt.

Rund 20.000 Startups bewerben sich an den 15 Techstars Standorten weltweit. Das sind in fünf Jahren schon Hunderttausend. Eine gigantische Zahl, die die Temperatur des weltweiten Gründungsfiebers anzeigt. „Das Wissen, welche Startups echte Unternehmen, welche Konzepte marktreif gemacht werden können, das macht Techstars aus”, resümiert Lapinski.

Zunächst ist da das Recruiting, die Phase der Ansprache und der Bewerbung der Startups. Die sich anschließende Auslese ist hart. Es gilt, nach klaren Kriterien und bestem Wissen zu entscheiden. In der Runde für 2016 haben sich über 600 Startups beworben. Nur 20 kamen durch.

Auf die Sieger wartet eine intensive Zeit. Sie durchlaufen Arbeitsmodule für die Unternehmensentwicklung. Mit diesen hat Techstars weltweit aus guten Ideen überlebens- und wachstumsfähige junge Firmen in allen Technologiebranchen der Welt geformt. Bestandteile der Arbeitsmodule sind: Strategische Positionierung erarbeiten, die „Market Fitness” des Produkts analysieren, das systematische Feedback aus dem Vertrieb einbauen.

Und all das dient dem finalen Fundraising der geförderten Startups – dem Einwerben von echtem Geld. Denn um das geht es schließlich. „Geld – das ist es, was den Startups fehlt. Ganz einfach”, sagt Lapinski. „Man startet ohne Budget. Und muss sich aus ihr herauswirtschaften.“ Die Beteiligung durch METRO Techstars, für die es bis zu 120.000 Euro Zuschuss in Form von Beteiligungen gibt, nehmen die meisten sehr gerne an.

Seit Herbst 2015 läuft die Partnerschaft zwischen Techstars und METRO. Eines der Startups, das einen ganz neuen Auftritt und Marktzugang bekam, ist „Frag Paul” – eine Anlaufstelle für alle Services rund um das komplexe Thema Personalplanung und -verwaltung in der Gastronomie.
Wie läuft denn die Kooperation zwischen einem erfolgreiche globalen Handelskonzern und „Tech-People” – warum und wie geht das zusammen? Jens Lapinski ist sicher: „Das hängt auch hier mit dem CEO zusammen.” Dazu gehört auch die Bereitschaft, eigene Konzepte nicht als endgültige Wahrheiten, sondern als in der Praxis zu überprüfende Hypothesen zu nehmen. Das galt auch für die Allianz mit Techstars. „Wir mussten erst herausfinden, wie wir am besten kooperieren“, berichtet Lapinski.

Für digitale Startups mit Lösungen für die Gastronomie ist die METRO ein wirklich gigantischer Vertriebspartner. „Der Zugang zu einem fragmentierten Markt von Millionen von Kunden, wie sollte ein Startup die enormen Kosten für den Markteintritt je aufbringen?”, fragt Lapinski.

Hunderte Verkaufspunkte der METRO-Märkte weltweit – dazu eine erfolgreiche Vertriebstruppe, die die Position eines der stärksten Handelsunternehmen weltweit absichert – das ist vielversprechend. Aber bislang noch sehr stark analog. „Digitales Neugeschäft folgt in der Zielgruppe Gastronomie anderen Spielregeln”, analysiert Lapinski. Der Vertrieb der digitalen Lösungen aus den Startups ist in die digitale Unit der METRO ausgegliedert. „Es gibt eine Strategie mit Testkunden, den sogenannten Piloten. Sie können mit Unterstützung neue digitale Produkte ausprobieren.”

Auch für die nächste Runde im Accelerator gilt: „Wir wollen den Gastronomen helfen, sich auf ihre Stärken an Herd und Tresen zu konzentrieren.” Jens Lapinski ist ganz sicher, dass die Startups wieder neue digitale Ideen für die Zukunft der Individualgastronomie beisteuern werden.