“Berlin ist auch in der Gastronomie Vorreiter”

Der Netzwerker Frédéric Schumacher kennt die ganze Welt der Gastronomie, im Wortsinn. Um globale Trends zu analysieren, ist für ihn Berlin genau der richtige Platz.

TEXT: Valeria Truschinski BILD: Marian Lenhard

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enn jemand globale Entwicklungen im Gastronomie-Sektor beobachtet, Innovationen in der Branche voranbringen will, Akteure aus der Branche mit Startups und dem Kapitalmarkt vernetzen will – dann ist er in Berlin genau am richtigen Platz. Frédéric Schumacher ist deshalb so gut wie jede Woche da. Er ist begeistert von der Stadt und den Freiheiten, die sich dort Gastronomen und Startups nehmen. In der METRO-Tochter Horeca.digital leitet er den Bereich Innovation und ist Präsident der US-Niederlassung.

Jeder meiner internationalen Gesprächspartner, die ich hier treffe, berichtet über neue Trends in den Restaurants, Bars und Hotels der Stadt.

Er ist in der Welt der Gastronomie zuhause, im Wortsinn: Der Deutsch-Franzose mit Wurzeln am Neckar ist aufgewachsen in Südamerika. Er hat schon als Student eine Bar eröffnet und sein Geld als Saisonnier in der Schweizer Berggastronomie verdient, bevor er die renommierte Ecole hôtelière de Lausanne (EHL) absolvierte. Danach führten ihn Managementaufgaben rund um den Globus: Zürich, Wien, Madrid, Santiago de Chile, Düsseldorf. Frédéric Schumacher ist auch Initiator und Mitgründer des METRO Chair of Innovation an der EHL und gibt sein Wissen an Gastronomen und Startups ab.Er ist in der Welt der Gastronomie zuhause, im Wortsinn: Der Deutsch-Franzose mit Wurzeln am Neckar ist aufgewachsen in Südamerika. Er hat schon als Student eine Bar eröffnet und sein Geld als Saisonnier in der Schweizer Berggastronomie verdient, bevor er die renommierte Ecole hôtelière de Lausanne (EHL) absolvierte. Danach führten ihn Managementaufgaben rund um den Globus: Zürich, Wien, Madrid, Santiago de Chile, Düsseldorf. Frédéric Schumacher ist auch Initiator und Mitgründer des METRO Chair of Innovation an der EHL und gibt sein Wissen an Gastronomen und Startups ab.  Auch an das Unternehmen seiner Familie, die in Spanien erstklassigen Iberico-Schinken herstellt. Schumacher war es auch, der die jungen Autoren animiert hat, die Gespräche mit Gründern und der Gastronomie der Stadt in Buchform zu bringen. Im Hotel Le Provocateur in Berlin sprachen wir mit ihm über die Zukunft der Individualgastronomie.

Frédéric, wie konntest du als Mitherausgeber und Nicht-Berliner uns jungen Autoren und Photographen so viele Hinweise geben, wie dynamisch sich die Berliner Gastronomie und die Gründerszene entwickeln?

Jeder meiner internationalen Gesprächspartner, die ich hier treffe, berichtet über neue Trends in den Restaurants, Bars und Hotels der Stadt. Ich selbst bin einfach jeden Tag, den ich hier in Berlin bin, überrascht und begeistert. Hinter jedem Gastronomen und jedem Startup steht eine persönliche Geschichte. Eine Gründungsgeschichte. Es braucht Begeisterungsfähigkeit und ordentlichen Mut, den Schritt in das eigene Business zu machen. Und langen Atem und viel Know-how, um durchzuhalten. Ihr habt in den vielen Gesprächen nach diesem persönlichen Antrieb gefragt. Das Buch drückt diesen überfälligen Respekt vor den Gastronomen aus. Es enthält wichtige Anregungen auch für junge Gründer.

Siehst Du Ähnlichkeiten in der Gründermentalität – bei den Digitalunternehmern und den Gastronomen?

Ja, gerade in Berlin ist der Gründergeist überall und übergreifend zu spüren. Mir macht es Spaß, gleichzeitig in diesen beiden Welten tätig zu sein. Wie sehr die beiden Bereiche in einer Wechselwirkung zueinander stehen und gemeinsam Berlin zu einer unglaublich dynamischen und attraktiven Stadt machen, das zu zeigen, ist ja der Sinn des Buchs.

Als Unternehmen hat METRO eine besondere Beziehung zur Gastronomie. Du persönlich beobachtest die Branche ganz genau, und nicht nur in Deutschland.

Ja, in der mehr als 50-jährigen Firmengeschichte der METRO Cash & Carry Märkte spielen selbständige Gastronomen eine zentrale Rolle. Ohne eine enge Beziehung zu den rund 200.000 Kunden allein in Deutschland wäre das rasante internationale Wachstum der METRO kaum möglich gewesen. Wir haben also allen Grund, die weltweite Entwicklung im Bereich Hotel, Gastronomie und Catering – kurz Horeca – zu analysieren. Uns interessiert ganz genau, was auf die Wirte zukommt.

Was sind denn die größten Herausforderungen, die Du für die Branche siehst?

Es sind zwei Trends, die wir beobachten. Zum einen ist es das anhaltende Wachstum der Systemgastronomie. Sie wächst überall. Das sehen wir weltweit. Das setzt die Individualgastronomie unter Druck. Aber Gastronomen und Gründer können den knallharten Wettbewerb mit den global aufgestellten Ketten durchaus bestehen. Gerade Berlin zeigt: Kreativität und lokale Kundennähe haben Zukunft. Bei den Produkten, beim Geschmack und der Kenntnis der eigenen Quartiere sind die echten Lokalhelden der global agierenden Systemgastronomie immer noch einen Schritt voraus. Und das gilt es effizient zu organisieren. Genau das ist die Chance, die der zweite große Trend in der Branche schafft – die Digitalisierung. Das digitale Restaurant kommt.

Das digitale Restaurant? Köche sind doch keine Digitalpioniere…

Ich sehe einfach, dass es Tätigkeiten und Arbeitsprozesse gibt, die die Gastronomen digitalisieren können. Und auch müssen, damit sie mehr Zeit haben und der Kopf frei bleibt für Kreativität. Es ist kein Selbstzweck, was wir bei der Horeca.digital unter dem Begriff digitales Restaurant zusammenfassen. Online-Marketing, Tischreservierung, Zahlungs- und Kassensysteme, Personalverwaltung, Buchhaltung – das müssen auch kleine Betriebe effizient managen. Aber alles muss einfacher und schneller gehen, besser miteinander zu verzahnen sein. Wir engagieren uns darum in diesem Bereich massiv. Wir wollen, dass Gastronomen als unabhängige Unternehmer überleben. Wir fördern Startups, entwickeln diese mit Partnern über sogenannte Accelerator-Programme zu marktfähigen Firmen weiter und helfen im Vertrieb. Natürlich konzentrieren wir uns auf Lösungen und Ideen, die das Leben unserer Kunden im weltweiten Food-Bereich einfacher machen.

Frédéric, was wird Deiner Erfahrung nach von angehenden Gründern am häufigsten unterschätzt?

Kalkulation und Kommunikation werden am häufigsten unterschätzt. Eine Gründung und eine Idee sauber durchzurechnen ist eine mühsame und manchmal auch schmerzhafte Erfahrung. Mit seinem Konzept gleichzeitig Friends und Family, die Kreissparkasse und die Gäste zu begeistern, ist nicht so einfach. Da helfen schöngerechnete Excel-Tabellen wenig. Gründer sollten erfahrene Praktiker fragen, Bildungsangebote nutzen und vor allem bereit sein, sich immer wieder zu hinterfragen – das sind ganz wichtige Wege zum Erfolg.

Wie können Gastro-Gründer aus Deiner Sicht finanzielle Risiken eingrenzen und die betriebswirtschaftliche Übersicht behalten?

Fixkosten, vor allem den Personalaufwand, am Anfang möglichst gering halten. Variable Kosten auch variabel behandeln und den Materialaufwand gut einschätzen. Für die Durststrecken muss ausreichend Gründerkapital eingeplant sein. Erst, wenn es richtig schlecht läuft, zur Bank zu gehen, ist wirklich keine gute Idee. Und die verlangt dann handfeste betriebswirtschaftliche Daten. Es ist also kein Luxus, sich innovative Tools anzueignen, mit denen man die Kennziffern für den eigenen Betrieb auf Knopfdruck parat hat. Genau daran arbeitet ja Horeca.digital – Gastronomen sollen ihr tägliches Geschäft besser kennen und steuern.

Jüngste EHL-Studien zeigen, dass Gastronomen in Deutschland digitalen Tools und auch mobilen Zahlungsoptionen skeptisch gegenüber stehen…

Das stimmt leider. In anderen europäischen Ländern sind Gastronomen auch zurückhaltend. So kommt es, dass man mitten im Zeitalter der Digitalisierung in vielen Bars, Restaurants und Cafés immer noch nur mit Cash zahlen kann. Das digitale Restaurant mit besseren Services für die Gäste ist kein Zukunftstraum mehr und Gastronomen können sich bald keine Abstinenz mehr erlauben. Ich bin sicher, dass die Startup-Hauptstadt Berlin auch hier Vorreiter sein wird.